Bis zu 10 000 autonome Shuttles könnten 2030 auf Hamburgs Straßen unterwegs sein. Das sieht eine Vereinbarung des Bundesverkehrsministeriums mit der Freien und Hansestadt Hamburg vor, die nun weiter mit Leben gefüllt wird. Mit einem modernen On-Demand-Verkehrsangebot soll in der Hansestadt eine Mobilitätslösung geschaffen werden, die den klassischen ÖPNV aus Bus und Bahn um ein neues Produkt ergänzt und eine attraktive Alternative zum Pkw darstellt. Im Projekt ALIKE soll ein System mit bis zu 20 autonomen Shuttles erprobt werden, die einfach per App gebucht werden können und den Fahrgast direkt abholen und ans Ziel bringen. Das System erfüllt strenge Sicherheitsanforderungen und soll auch überregional skalierbar und damit auch für ländliche Gebiete nutzbar sein. Ziel des Modellprojekts ist auch die Akzeptanz von autonomen Fahrangeboten in der Praxis zu erforschen.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert das Projekt mit 26 Millionen Euro. Den Förderbescheid übergab heute Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing im Beisein von Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende Dr. Anjes Tjarks an das Projektkonsortium. Sechs starke Partner haben sich in diesem Konsortium zusammengefunden: die HOCHBAHN als Konsortialführer, der On-Demand-Dienst MOIA, die Fahrzeughersteller HOLON und Volkswagen Nutzfahrzeuge sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Forschungspartner und die Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM).
Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr:
Ich möchte, dass die Menschen auch in Zukunft selbstbestimmt mobil sein können. Der Verkehr in Deutschland wird zunehmen, umso mehr brauchen wir neue, kluge Mobilitätsformen, die helfen unsere Infrastruktur effizient zu nutzen. Autonomes Fahren kann ein Schlüssel sein, die Straßen in Großstädten zu entlasten und gleichzeitig Mobilität bis vor die Haustür zu sichern. Das autonome On-Demand-Shuttle kommt genau dann, wenn ich es brauche und es bringt mich direkt an mein Ziel. Durch das voll digitale Buchungssystem ist es einfach zu bestellen, Fahrten lassen sich kombinieren und damit Wege und Kosten sparen.
Ich freue mich, dass wir mit Hamburg einen mutigen und innovationsoffenen Partner gefunden haben, um das autonome Fahren in Deutschland zu etablieren. Ich bin sicher: diese gute Idee wird von den Hamburgern angenommen und viele Nachahmer finden.
Anjes Tjarks; Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende:
Mit dieser breiten Allianz für das autonome Fahren setzen wir einen weiteren Punkt der gemeinsamen Verabredung mit dem Bund um, mit dem wir Hamburg zur Modellregion Mobilität weiterentwickeln wollen. Das autonome Ridepooling ist dabei das fehlende Puzzlestück zwischen dem klassischen Öffentlichen Nahverkehr und den individuellen Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Mit ihm schaffen wir eine ganz neue Säule im ÖPNV, eine attraktive Alternative zum privaten PKW sowie eine entscheidende Voraussetzung, um den Hamburg-Takt fahren und allen Menschen in Hamburg binnen fünf Minuten ein öffentliches Verkehrsangebot machen zu können. So wird der ÖPNV der Zukunft noch komfortabler, nachhaltiger und effizienter. Passend zum sehr erfolgreichen Deutschland-Ticket sollen die autonomen Fahrzeuge künftig dazu beitragen, dass wir auch ein entsprechendes Deutschland-Angebot entwickeln und anbieten können. Mein Dank gilt Bundesminister Wissing für die Unterstützung, in der Modellregion Hamburg die Mobilität der Zukunft für ganz Deutschland voranzubringen und weiter zu gestalten.
Die Konsortialpartner werden erstmals ein Gesamtsystem zur Buchung und Nutzung von bis zu 20 autonom fahrenden Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr in Hamburg aufbauen. Die Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller werden in einen On-Demand-Dienst integriert, um sie im Realbetrieb zu erproben und über Apps für Nutzerinnen und Nutzer digital buchbar zu machen. Die Projektergebnisse sollen die Grundlage für eine künftige kommerzielle Bereitstellung und Skalierung von Ridepooling-Diensten schaffen.
Gebündelte Expertise für Betriebskonzept und App-Entwicklung
In dem Projektkonsortium schließen sich mit der HOCHBAHN und MOIA zwei etablierte Betreiber von Mobilitätslösungen zusammen, die unter anderem Erfahrungen mit autonomen Fahrzeugen haben und mit der hvv switch-App und der MOIA-App über leistungsfähige und akzeptierte Plattformen für Buchungen verfügen. Die Betriebs- und Ridepooling-Software wird von MOIA bereitgestellt. Das Unternehmen betreibt seit 2019 Europas größten vollelektrischen Ridepooling-Service mit Fahrerinnen und Fahrern in Hamburg und blickt auf umfassende Erfahrung im Aufbau und Betrieb von On-Demand-Verkehren zurück. Die HOCHBAHN ist Deutschland zweitgrößtes Nahverkehrs-unternehmen und verantwortete bis 2020/21 das erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT (Hamburg Electric Autonomos Transportation), bei dem erstmals Erfahrungen im Betrieb eines autonomen Shuttles im Linienverkehr in Hamburg gesammelt wurden.
Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der HOCHBAHN:
ALIKE bringt ganz unterschiedliche Projektpartner mit ihren jeweiligen Stärken zusammen: Erstmals treiben Verkehrsunternehmen, Ridepooling-Anbieter, Fahrzeug-hersteller sowie Fachleute aus der Wissenschaft und der Politik das Thema autonomes Fahren gemeinsam voran. Das Ziel ist eine Mobilitätslösung, die sich auch auf andere Städte und Regionen ausweiten und übertragen lässt. Für ein solches gesamtheitliches System gibt es weltweit kein Vorbild.
Sascha Meyer, CEO MOIA:
Im ALIKE-Projekt integriert MOIA eine autonome Flotte mit zwei Betreibern und unterschiedlichen Fahrzeugen nahtlos in einem Ridepooling-Angebot. Gerade dieses Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Unternehmen macht die Einzigartigkeit des Projektes aus. Das Ridepooling-System von MOIA bildet die Klammer des Projekts und fügt die Bestandteile der Anbieter in ein attraktives Angebot zusammen. Sowohl über die MOIA als auch hvv switch App können Menschen in Hamburg zukünftig autonome Mobilität bestellen. Mit diesem Projekt zeigen wir unser strategisches Ziel einer offenen Mobilitätsplattformen für geteilte autonome Verkehre in der Realität.
Zwei Fahrzeugtypen für verschiedene Bedarfe im Einsatz
ALIKE wird mit zwei Modellen von autonom fahrenden Shuttles in den Betrieb gehen. Der eine Shuttle kommt von der BENTELER-Tochter HOLON und wurde im Januar dieses Jahres erstmals auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas präsentiert. Der HOLON Mover ist einer der ersten mit Automobilstandards und bietet ein Maximum an Sicherheit und Komfort für bis zu 15 Passagiere. Mit 60 km/h Höchstgeschwindigkeit wird sich das Shuttle optimal in den Stadtverkehr eingliedern. Dabei ist es barrierefrei nutzbar, durch eine automatisierte Rampe, einen gesicherten Rollstuhlplatz sowie auditive und visuelle Unterstützung der Passagiere.
Das zweite Fahrzeug ist der ID.Buzz AD von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Es hat bereits die ersten Tests im öffentlichen Straßenland erfolgreich absolviert und wird das erste autonome Serienfahrzeug von Volkswagen sein. Der ID. Buzz AD bietet die ideale Größe für den Betrieb in Ballungsräumen – kompakt, wendig und mit optimaler Raumausnutzung. Beide Fahrzeuge fahren rein elektrisch und damit leise und emissionsfrei.
Henning von Watzdorf, CEO HOLON:
Alle ALIKE-Mitglieder eint ein Ziel: Mobilität zu verändern. Mit unserem HOLON Mover liefern wir einen wichtigen Baustein dafür. Das Fahrzeug wird Mobilität sicherer, nachhaltiger und inklusiver machen. Es ist nicht für Fahrer konzipiert – sondern ausschließlich für Passagiere. So schaffen wir ein völlig neues Mobilitätserlebnis – und fangen damit hier in Hamburg an.
Christian Senger, Vorstand für die Entwicklung des Autonomen Fahrens bei Volkswagen Nutzfahrzeuge:
Mit der Produktion von autonomen und vollelektrischen Shuttles tragen wir einen entscheidenden Beitrag zum ALIKE-Projekt bei: Der VW ID. Buzz AD bietet Großserientechnik, ein Self-Driving-System von Mobileye sowie die ideale Größe für den Einsatz in Großstädten wie Hamburg. Unsere Fahrzeuge nutzen Kameras, Radare und Lidare sowie Hochleistungsrechner. Auf dieser Basis entsteht eine der menschlichen Wahrnehmung überlegene 360°-Umfelderkennung für sichere Fahrbefehle. Die Fahrzeuge wurden bereits erfolgreich unter Realbedingungen in München und Austin getestet. Jetzt bringen wir den ID. Buzz AD nach Hamburg. Wir freuen uns sehr, dass heute Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing unser erster Gast für eine autonome Fahrt in Hamburg ist.
Begleitforschung zu gesellschaftlicher Akzeptanz und Verkehrswirkung
Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt das Institut für Verkehrswesen (IfV) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das über eine ausgewiesene Expertise in der Begleitforschung zum Ridepooling verfügt. Das IfV am KIT befasst sich mit allen Fragen im Mobilitätsbereich, die von gesamtgesellschaftlich begründeten Planungskonzepten bis hin zu technischen Entwicklungen des Verkehrs reichen. Mit einem interdisziplinär angelegten Konzept verfolgt das IfV das Ziel, den Verkehr effizient und nachhaltig zu organisieren, die Wirkungen neuer Mobilitätssysteme auf die Nutzende zu erforschen und eine Systemintegration zu gewährleisten. Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) als weiterer Konsortialpartner stellt die politische Anbindung sicher und nimmt eine wesentliche Rolle im Genehmigungsverfahren ein. Innerhalb des ALIKE-Projektes soll das SAE Automatisierungslevel 4 (hochautomatisiertes Fahren) erreicht und umgesetzt werden.
Mit dem Projekt ALIKE wird zudem die gesellschaftliche Akzeptanz des autonomen Fahrens im öffentlichen Verkehr erforscht und das Mobilitätsverhalten der Öffentlichkeit modelliert. Geplant sind dafür unter anderem umfangreiche Informationsangebote und Befragungen. Die Ergebnisse fließen dann in die Modellierung ein, um anhand verschiedener Szenarien die Wirkungen des autonomen Angebotes zu bewerten.
Ein weiterer, assoziierter Partner ist die DRM Datenraum Mobilität GmbH. Diese wird das Konsortium unterstützen, einen geeigneten Anwendungsfall für einen europäischen Datenraum für den Bereich Mobilität (Mobility Data Space) zu definieren, um das Teilen von Daten zu stärken.
Mit der Förderung durch das Bundesverkehrsministerium startet das Projekt offiziell. In den kommenden Wochen werden auf der Basis der Vorarbeiten bei den Konsortialpartnern die wesentlichen Inhalte des Projekts definiert. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und in drei Hauptphasen gegliedert: In der Vorbereitungsphase erfolgt die Projektfeinplanung sowie Softwareentwicklung. In der Integrationsphase werden die Fahrzeuge mit der Betriebssoftware verknüpft. Zudem werden die Genehmigungen für Fahrzeuge und dem Betriebsbereich z.B. gemäß der neuen Gesetzgebung zum autonomen Fahren eingeholt. Mit der Betriebsphase startet der autonome Ridepooling-Service in den Jahren ab 2025. Dann werden auch die ersten Fahrgäste mit den Shuttles mitfahren können.