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So formuliert Kenjiro Bonilla, Geschäftsführer von Dunkel, Vögele & Associates und 2-facher Familienvater seine persönliche Idealvorstellung der modernen Arbeitswelt. Der gelernte Speditionskaufmann mit einem Bachelor in Business Administration führt das Unternehmen seit Januar 2023 (zu Beginn noch gemeinsam mit Bernd Vögele und seit Mai 2024 allein). Das Unternehmen ist seit 25 Jahren in der Personalberatung für die Transport- und Logistikbranche aktiv und verfügt daher über einen guten Einblick in das Innenleben vieler Unternehmen aus dieser Branche. Wie steht es im Jahr 2025 um die Wechselwilligkeit der Mitarbeitenden? Und wie schaffen es Unternehmen durch moderne Führung und eine positiv ausgerichtete Unternehmenskultur ihre Mitarbeitenden zu binden? Darüber haben wir ausführlich gesprochen.

Lieber Kenjiro, vielen Dank dass du dir Zeit nimmst, um mit mir u.a. über flexible Arbeitszeitmodelle, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Etablierung einer Vertrauenskultur in Unternehmen zu sprechen und vorzustellen wie ihr das selbst bei euch im Unternehmen handhabt.

Sehr gerne! Ich freue mich, dass ihr als LIHH dieses Thema aufgreifen und in eure Logistik-Community kommunizieren möchtet. Als langjähriges Mitglied bei euch, weiß ich um den Mehrwert eines voneinander lernenden Netzwerks und beteilige mich auch gerne aktiv.

Du hast ja vor einigen Monaten auf LinkedIn mehrere Beiträge zu diesen Themen veröffentlicht. Wie waren die Reaktionen darauf?

Die Reaktionen auf meine LinkedIn-Beiträge waren sehr gemischt und wurden auch kontrovers diskutiert. Ich habe viel positives Feedback erhalten, aber ehrlicherweise auch einige negative Rückmeldungen, wie ich denn einen solchen „family-first“-Ansatz in einer eher konservativ geprägten Branche wie der Logistikformulieren könne.

Was genau versteht du unter „family-first“? Und wie vereinbarst du selbst als Geschäftsführer Familie und Beruf?

Als Geschäftsführer und Vater stehe ich oft vor der Herausforderung, meine beruflichen Verpflichtungen mit meinen familiären Aufgaben in Einklang zu bringen. Meine Familie hat oberste Priorität für mich, auch wenn das Unternehmen eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt. Die Balance zwischen beidem ist eine der größten Herausforderungen in meiner Rolle als Geschäftsführer. Ich nutze jede freie Minute, sei es, um E-Mails auf dem Weg zum Bäcker zu beantworten oder berufliche Anrufe beim Spaziergang mit meiner Tochter zu tätigen. So kann ich beide Bereiche effizient miteinander vereinbaren.

Ihr habt euch als Unternehmen ja auf den Weg gemacht innovative und flexible Arbeitszeit-Modelle auszuprobieren? Was genau habt ihr denn bei euch im Unternehmen verändert und warum habt ihr das überhaupt gemacht?

Wir haben Anfang 2024 ein spannendes Experiment gestartet und die 4-Tage-Woche bei uns eingeführt. Wir wollten herausfinden, ob wir durch die Reduzierung der Arbeitszeit auf 32 Stunden/Woche bei gleichbleibendem Gehalt und der Möglichkeit verstärkt im Homeoffice zu arbeiten, eine höhere Zufriedenheit und Produktivität erreichen könnten. Besonders im Bereich der Personalberatung, wo Flexibilität und Selbstständigkeit entscheidend sind, schien uns dieses Modell vielversprechend. Diese Veränderung hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, traditionelle Arbeitsmodelle zu hinterfragen und anzupassen. Bei Dunkel, Vögele & Associates GmbH haben wir erkannt, dass es nicht mehr nur um Work-Life-Balance geht, sondern um eine echte Lebensbalance, bei der Arbeit ein natürlicher, aber nicht dominanter Teil des Lebens ist.

Und wie lautet euer Fazit nach einem Jahr?

Wir stellen fest, dass sich die beiden traditionell eher separierten Lebensbereiche „Arbeit“ und „Familie“ total vermischt haben,vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern. Die Mitarbeitenden schätzen die gewonnene Flexibilität und die Möglichkeit, Beruf und Privatleben besser zu vereinen, sehr stark. Und in einer global ausgerichteten Branche wie der Logistik, lassen sich ja auch leicht Beispiele finden, warum es sogar sehr sinnvoll sein kann, abseits der in Deutschland üblichen Kernzeiten zu arbeiten, Stichwort: Zeitverschiebung. Rein wirtschaftlich betrachtet, war es für uns ebenfalls ein sehr erfolgreicher Versuch. Wir haben unsere Umsätze im Vergleich zu den Vorjahren gesteigert und können bislang keine Einbußen verzeichnen. Die neue Flexibilität hat also nicht nur dazu geführt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedener sind, sondern auch produktiver arbeiten.   

Glaubst du, dass sich dieses Konzept einfach so auf alle Bereiche in der Logistik übertragen lässt?

Es ist sicher keine für alle passende Schablone und jedes Unternehmen muss für sich selbst herausfinden, an welchen Stellschrauben es drehen kann, um die Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeitenden attraktiver und flexibler zu gestalten. In der Spedition und im Vertrieb sind solche Maßnahmen sicher leichter umzusetzen, als beispielsweise in der Disposition oder im Lager. Genau hier ist dann aber die Führungskraft gefragt, um diese Unterschiede zu kommunizieren und nicht nach dem pauschalen Prinzip „Gleiches Leid für alle“ zu handeln. Mit ein wenig Phantasie lassen sich eben auch in diesen Bereichen kreative Lösungen schaffen, beispielsweise durch einen flexiblen Urlaubstag, Time-Sharing-Modelle in der Kita oder digitale Tools für eine agil gestaltete Schichtplanung.    

Welche neuen Anforderungen und auch Herausforderungen stellt diese neue Flexibilität der Arbeitszeiten denn an dich als Führungskraft?

Der entscheidende Faktor ist: Vertrauen. Die 4-Tage-Woche hat uns gezeigt, dass es möglich ist, Arbeitszeit und Produktivität neu zu denken und dass Vertrauen in die Mitarbeitenden dabei eine zentrale Rolle spielt. Wann und wo die Aufgaben erledigt werden, ist für mich als Geschäftsführer zweitrangig, solange letztlich das Ergebnis stimmt. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand während der üblichen Kern-Arbeitszeit zum Friseur oder zum Arzt geht. Da bekommt man ja auch leichter freie Termine, ist schneller fertig und kann danach dann weiterarbeiten. Denn klar ist auch: Vertrauen ist keine Einbahnstraße und muss stets aufs Neue auch von den Mitarbeitenden gerechtfertigt werden.

Wie definierst du den Begriff „Modern Leadership“ für dich und wie schwierig ist es für dich als Geschäftsführer, diesen Ansatz nicht nur theoretisch zu formulieren sondern auch wirklich mit Leben zu füllen?

Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere bleibt eine Herausforderung für viele Führungskräfte. Mein Tipp: Lebt vor, was ihr von euren Mitarbeitenden erwartet. Setzt flexible Arbeitsmodelle um und zeigt, dass es möglich ist, beides zu vereinen. Moderne Führung verlangt nicht mehr, dass man als Erster im Büro ist und als Letzter geht. Vielmehr sollten wir uns auf Zusammenarbeit und Erfolg konzentrieren, ohne das Privatleben zu vernachlässigen. Besonders in einer Zeit, in der sich die Rollen von Vätern und Müttern ändern, ist es wichtig, dass Führungskräfte dies in ihrer Arbeitsweise reflektieren. Mein Ansatz – basierend auf Vertrauen und Flexibilität – fördert eine Arbeitsumgebung, in der berufliche Ziele und familiäre Bedürfnisse im Einklang stehen. Diese Balance stärkt nicht nur das Team, sondern steigert auch das Engagement und die Zufriedenheit.

Das waren sehr spannende An- und Einsichten, wir ihr bei euch im Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf neu denkt. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast und für die Bereitschaft, deine Gedanken und Erfahrungen mit unserem Logistik-Netzwerk zu teilen.

 

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