Die Hafen- und Logistikmetropole Hamburg hat sich zu einem wichtigen Standort für die Forschung und Entwicklung der Quantentechnologie entwickelt. Die Verkündung der Hamburger Quantum Innovation Capital-Initiative im Mai 2022 und der Initiierung weiterer Maßnahmen sollen in den kommenden Jahren wichtige Beiträge leisten, um in dem Bereich das Ökosystem auszubauen und sich im globalen Wettbewerb zu positionieren. Aber worum geht es dabei überhaupt und was hat das mit Logistik zu tun?
Ist das alles nur eine weitere digitale Modeerscheinung?
Mitnichten: Experten prognostizieren, dass die Einsatzmöglichkeiten der Quantentechnologie komplexe Fragestellungen in sehr vielen Branchen innerhalb kürzester Zeit werden lösen können. So sind beispielsweise die Wahrscheinlichkeiten sehr hoch, dass neue Materialien in der Bauindustrie entstehen können, die ungeahnte Verbundfestigkeitsstrukturen aufweisen oder die Erprobung von medizinischen Wirkstoffen um ein Vielfaches bis zur Marktreife verkürzen können.
In Hamburg – und natürlich weltweit – wurde in den letzten Jahrzehnten viel Grundlagenforschung betrieben, um wichtige Erkenntnisse im Bereich der Quantentechnologie zu gewinnen und Akteure an den Standort zu binden. Wichtige Player der Quantentechnologieforschung in Hamburg sind beispielsweise das Deutsche Elektronen-Synchroton (DESY), die Universität Hamburg, die Technische Universität Hamburg, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg oder das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML. Hinzu kommen eine Vielzahl an Hard- und Softwareunternehmen und auch Beratungshäuser, die sich diesem Thema angenommen haben.
In den kommenden Jahren wird es nun darum gehen, das Stadium der Grundlagenforschung hinter sich zu lassen und den Sprung in die Anwendungsebene zu schaffen. Erste Projekte werden bereits unter Einbindung von Partnern aus der Logistik realisiert. Ein veranschaulichendes Beispiel zeigt den Einsatz von Quantencomputern im Bereich des maritimen LNG-Transports und der Berechnung der optimierten Routenplanung.
Was bedeutet Quantentechnologie?
Einige Grundbegriffe aus der Quantenphysik gehören leider dazu und versprühen den Charme eines durchschnittlichen Physikklassenzimmers an einem beliebigen, mit mäßigen Finanzmitteln ausgestatteten Gymnasiums. Ein paar Grundbegriffe müssen als Einstieg trotzdem erklärt werden,
Ein Quant ist die kleinste Einheit von Information, die in der Quantentheorie verwendet wird. Ein Quant kann gleichzeitig in mehreren Zuständen sein und kann nur durch Messung eindeutig bestimmt werden.
Ein Quibit (oder auch Quantenbit) ist eine Erweiterung des klassischen Bits, das in herkömmlichen Computern verwendet wird. Im Gegensatz zu einem Bit, das nur den Zustand 0 oder 1 annehmen kann, kann ein Quibit in mehreren Zuständen gleichzeitig sein. Diese Eigenschaft ermöglicht es Quantencomputern, bestimmte Aufgaben schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Computer.
Quibits ermöglichen, große Datenmengen parallel zu verarbeiten und zu speichern, was eine wesentliche Voraussetzung für die schnelle und effiziente Bearbeitung von Prozessen in der Logistik sein kann. Quantenphysikalische Phänomene, wie beispielsweise die Quantenkohärenz und die Quantenparallelität, ermöglichen es, komplexe Aufgaben, wie die Optimierung von Lieferketten, die Verwaltung von Lagerbeständen oder die Vorhersage von Nachfragemustern, schnell und effizient zu lösen.
Ein Quantencomputer ist ein extrem leistungsfähiger Computer, der auf Quantenprinzipien basiert. Es verwendet Quibits statt klassischer Bits, um Information zu speichern und zu verarbeiten. Quantencomputer haben somit einige einzigartige Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, bestimmte Aufgaben schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Computer. Sie werden in Bereichen wie zum Beispiel der Kryptografie, der Optimierung und der Simulation eingesetzt.
Das Annealen ist eine wichtige Optimierungsmethode, die auf quantenbasierten Algorithmen beruht und es ermöglicht, komplexe Probleme in kürzester Zeit zu lösen. Im Kontext der Logistik bedeutet annealen, dass ein quantenbasierter Computer eine optimale Lösung für eine bestimmte Aufgabe, wie beispielsweise die Optimierung von Lieferketten, die Verwaltung von Lagerbeständen oder die Vorhersage von Nachfragemustern, findet. Durch das Annealen werden verschiedene Lösungen für ein Problem simuliert und optimiert, bis die beste Lösung gefunden wird.
Was sind die konkreten Einsatzgebiete, die der Einsatz von Quantentechnologie in der Logistik bringen kann?
Die Quantentechnologie hat das Potenzial, die Logistikbranche grundlegend zu verändern. Ein sehr wichtiges Anwendungsgebiet ist beispielsweise die Optimierung von Routen. Durch den Einsatz von Quantencomputern kann unter anderem die Suche nach der optimalen Route für eine Lieferung schneller und präziser gelöst werden.
Ein weiteres interessantes Einsatzgebiet ist die Verbesserung der Lagerhaltung. Quantentechnologie kann verwendet werden, um die Effizienz von Lagerprozessen zu steigern, indem sie beispielsweise die genaue Bestandsverwaltung erleichtert und optimiert und in Echtzeit an die Nachfrage und Produktion anpasst.
Ein spannendes Szenario ist auch die Verwendung von Quantensensoren zur Überwachung von Warenströmen. Diese können kleine Abweichungen in der Umwelt, wie beispielsweise Temperatur- oder Feuchtigkeitsänderungen, erfassen und so dazu beitragen, das Risiko von Beschädigungen zu minimieren.
Dies sind nur erste Überlegungen von Anwendungsbereichen, und es gibt noch eine Vielzahl an weiteren Einsatzgebieten in der Logistik, um komplexere, heute noch nicht berechenbare Zusammenhänge zu erfassen. Die Technologie steckt derzeit noch in den Kinderschuhen, allerdings gibt es bereits erste Anwendungen die gezeigt haben, dass sie in Zukunft eine gewichtige Rolle in der Logistik spielen kann und es lohnenswert ist, sich frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen.
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